Vergabe im Baugewerbe
BauUnwesen – Das Vergaberecht schadet dem Baugewerbe
Zur Veranstaltung:
Ein Baugewerbe Unternehmen und die Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Mittweida organisierten am 30.11.2015 einen BauUnwesen Abend . Der Fokus des Abends lag auf dem Ablauf und der Organisation von Bauprojekten, sowie dem wirtschaftlich, rechtlichen Handlungsrahmen für das Bauen in Deutschland.
Die Veranstaltung fand in einem hohen, großen Hörsaal statt. Das vermittelte mir als Vortragenden ein fast professorales Gefühl. Man steht tief „unten“ vor einer riesigen Kreidetafel und blickt zu den anwesenden „Wissbegierigen“ hoch. Bei normalen Kongressen steht man oben auf der Rednertribüne und spricht in die tiefe eines Saales. In den Fragen und der anschließenden Diskussion zeigte den hohen Anteil von Baupraktikern im Publikum. Aus dem Baugewerbe waren engagierte Bauhanderker anwesend. Auch der Chef der Dachdeckerinnung war präsent und engagiert dabei. Bislang hatte ich meine Vorträge eher vor Planern, Architekten, Bauherren und Betreibern bzw.FM Leuten gehalten. Nun bekam ich zum ersten Mal, die Reaktion des Bauhandwerks auf meine Buchinhalte zu spüren.
Vergabe als Unwesen – Grenzen von Vergaberecht
Die Sicht eines Beisitzers der Bundesvergabekammer
Der Themenkreis Ausschreibung und Vergabe hatte die größte Resonanz. Dort erlebt das Baugewerbe täglich das BauUnwesen. Insbesondere die öffentliche Hand betreibt das besonders ausgeprägt. Ein anwesender Beisitzer der Bundesvergabekammer trug seine langjährigen praktischen Erfahrungen bei, die er mit dem Begriff Vergabeunwesen zusammenfasste.
Die Vergabe krankt grundsätzlich an einer ausgeprägten Scheintransparenz. Was bei einem Bauprojekt am Ende raus kommt bleibt verdeckt. Das Bluffen mit dem tiefsten Angebotspreis ist die bestimmende Kompetenz im Wettbewerb um öffentliche Bauaufträge in Deutschland.
Nebenangebote bleiben verdeckt
Bei der offenen Verlesung der Angebote vor allen Bietern, wird nur das Hauptangebot bekannt gegeben. Gibt es zu einem Hauptangebot noch Nebenangebote werden dies nicht offen gelegt. Es wird nur bekannt gegeben ob ein Bieter noch Nebenangebot abgegeben hat und wie viele. Damit wird dem Tricksen und Täuschen via Nebenangebot Tür und Tor geöffnet.
Angebotspreise als Mondpreise
Bauleistungen sind in Deutschland sehr genau und umfassend standardisiert. Was es zum Bauen an Leistungen braucht ist im Standardleistungsbuch zusammen gefasst. Das ist für den öffentlichen Bau sogar verbindlich. Aus den dort definierten Leistungen kann ein Planer unter Berücksichtigung bekannter Stundensätze und den benötigten Materialien für den Bauherrn die realistischen Preise für Leistungen gemäß Standardleistungsbuch errechnen. Diese Preise spielen in der praktischen Vergabeentscheidung jedoch keine Rolle. Die öffentliche Hand vergibt an den niedrigsten Preis, selbst wenn dieser unter 50% der realistischen Kosten liegt. Als Beispiel hatten Dachdecker zum BauUnwesen Event Unterlagen zu einem konkreten Beispiel mitgebracht. In dem dokumentierten Fall wurden Dacharbeiten an der Hochschule Mittweide 58% unter der realistischen Kalkulation vergeben. Die Nachkalkulation des Innungsmeisters ergab bei diesem Preis einen Stundensatz von 7.80 Euro. Der tarifliche Lohn eines Handwerksgesellen liegt bei Dachdeckern bei über 12 Euro. Ein auskömmlicher Stundenverrechnungssatz im bei Handwerksbetrieben liegt bei 40 Euro. liegt Von 8 Anbietern hatten beim betreffenden Bieterwettstreit nur einer in der Nähe der kalkulierten Kosten angeboten. Alle anderen hatten zwischen 30 und 60% Rabatt auf den auskömmlichen Preis gegeben. Bei diesen Preisen kann nur überleben wer folgende Strategien anwendet.
- Weniger leisten als ausgeschrieben bzw. minderwertiges Material einsetzen. Das kann gut gehen wenn man mit Planer befreundet ist. Wenn der „Luft“ in die Ausschreibung eingebaut hat, gibt das Preisspielräume die nicht jeder kennt.
- Im Laufe des Bauvorhabens lukrative Zusatzaufträge oder Nachträge ( z.B. wegen Behinderung) generieren. Der niedrige Angebotspreis war dann nur das Eintrittsticket auf die Baustelle.
- Den erteilten Auftrag nicht von Menschen mit regulären, deutschen sozial- und steuerpflichtigen Arbeitsverhältnissen erledigen lassen.
- Lieferanten und Subunternehmer nicht bezahlen – ab und an Pleite machen.
Baugeheimnistuerei bei finalen Realisierungskosten
Das ganze Spiel mit den hohen Rabatten und den Nebenangeboten funktioniert nur, weil das Ergebnis des Bauvorhabens vertraulich behandelt wird. Nach der folkloristisch auf Fairness und Transparenz getrimmten Angebotseröffnung geht der weitere Bauverlauf für die „unterlegenen“ Bieter des Angebotswettstreites völlig verdeckt weiter. Was der Bieter mit dem Zuschlag, für die Realisierung der ausgeschriebenen Bauleistung am Ende tatsächlich abrechnet, bleibt für die Öffentlichkeit und die Mitbewerber verborgen. Den unterlegenen Bietern steht die Klage vor der Vergabekammer offen. Das kostet pauschal 2500 Euro Mindestgebühren und kann bis 50.000 Euro hoch gehen. Wer unterliegt zahlt noch die Kosten der Gegenseite und die eventuell notwendigen Gutachter. Wer klagt braucht viel eigene Zeit und Nerven. Das schreckt wirksam ab für Transparenz und Ehrlichkeit bei der Vergabe zu sorgen.
Im Ergebnis kann das öffentliche Bauen als ein großes Mogelspiel zum Schaden der Staatskasse und Baugewerbes betrieben werden. Selbst wenn es entdeckt wird bleibt es faktisch folgenlos. Die Haushaltsuntreue Gesetzgebung stellt sicher, dass eine Verurteilung praktisch unmöglich ist.
Blick über die Grenzen – Vergabe in der Schweiz
Vergabeentscheidungen beim Bauen sind überall in der Welt eine sehr kritische Angelegenheit. Das Baugewerbe hat überall Mühe mit dem Preis als alleiniges Entscheidungskriterium. Die hohen Geldbeträge beim Bauen stellen eine hohe Versuchung für Manipulation dar. Die Einzigartigkeit der verlangten Leistung bietet dafür viele Möglichkeiten zum Tricksen und Vertuschen.
Um eine gute, effiziente Bauwirtschaft und qualitativ gutes Bauen zu sichern, muss der gesetzliche Rahmen für das Bauwesen die Vergabe an seriöse, leistungsfähige Auftragnehmer fördern und diese gegen unseriöse Wettbewerber schützen.
Dies kann nur über den Entscheidungsprozess der Bauherren erfolgen, nicht durch nachfolgende Rechtsstreiterei.
In meiner neuen Heimat Schweiz hat der Staat deshalb zwei Verantwortlichkeiten der Bauherren komplett anders geregelt als in Deutschland. Diese Regelungen sind wirksamer als kompliziertes Vergaberecht.
Der Bauherr ist für alle nicht gezahlten Steuern- / Sozialabgaben auf seiner Baustellen voll umfänglich verantwortlich.
Der Bauherr schuldet allen Bauunternehmen, die auf seiner Baustelle arbeiten die Zahlung der korrekte erbrachten Leistung.
Es geht nicht wie in Deutschland, dass der Bauherr die Verantwortung und Risiken durch eine Auftragsvergabe an seine Auftragnehmer delegiert. Wer den finalen Nutzen einer Bauleistung hat, muß dies dem Leistungserbringer auch bezahlen. Wer als Bauherr bei der Auftragsvergabe viel zu tief vergibt, riskiert über unseriöse Subunternehmer Schwarzarbeiter auf seiner Baustelle zu bekommen. Wer Aufträge an windige Unternehmen mit nachgelagerten Subunternehmerstrukturen vergibt, muss damit rechnen, selbst deren Leistungen zu bezahlen. Fällt in der Sub-Subunternehmer Kette ein Glied aus kann der Bauherr eine Leistung auch doppelt bezahlen. Der Bauherr wird beim Vergabeentscheid also eher Auftragnehmer wählen, die geschäftlich korrekt mit ihren Lieferanten umgehen.
Das fördert eine gesunde, leistungsfähige Bauwirtschaft und hält Bauherren davon ab, Dummheiten in ihrem Projekt zu begehen.
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